Die Canon G11, der erste Eindruck ist zwiespältig

Seit heute bin ich im Besitz einer Canon G11, zu der ich heute erste Eindrücke sammeln konnte. Und die sind zwiespältig.

  • Lieferumfang: Ein kleines Schächtelchen mit Kamera, Akku, Ladegerät, Riemen, einer Kurzanleitung, CD, USB-Kabel, einem AV-Kabel – und das war’s. Handbuch? Fehlanzeige. Das darf der Kunde, der nach dem Willen Canons dafür knapp 600 Euro auf den Tisch legen soll, sich selber ausdrucken und dann binden lassen. Alternativ empfiehlt sich auf Spaziergängen die Mitnahme eines Laptops, damit man im Zweifel auf der CD nachsehen kann, was nicht in der Kurzanleitung steht. Na toll. Haben die sie noch alle? Das ist eine Frechheit, in echtem Geld hat man immerhin deutlich über 1000 DM für den Spass hinzulegen.
  • Anfassgefühl: eher gemischt. Teile der Kamera wirken hochwertig, andere dagegen sind schlicht schieres Plastik. Das schmälert den guten Eindruck enorm.
  • Handlichkeit: Die Kamera ist etwas kleiner als ich erwartet hatte, das ist zunächst mal gut. Allerdings lässt sie sich schlecht halten: es gibt keinen Griffwulst wie z.B. bei der A710. Ich habe solche Kritik früher immer für Blödsinn gehalten – weil ich eben stets Kameras hatte, die gut in der Hand liegen. Das ist bei der G11 definitiv nicht so, man hat kein sicheres Gefühl damit. Die Kamera wirkt überdies ziemlich kopflastig, was offenkundig an der Ausführung des Objektivs liegt, da wurde nicht am Material gespart.
  • Ergonomie: Das Gehäuse ist über und über mit Knöpfen und Drehrädchen bedeckt, was für den schnellen Zugriff auf viele Funktionen durchaus nützlich ist. ISO-Verstellung per Einstellrad, Modus (Av/Tv etc.) ebenso, und auch die Belichtungskorrektur ist per Rädchen schnell gemacht, sehr schön. Außerdem gibt es einen programmierbaren Button, insgesamt eine recht vollständige Ausstattung an Bedienelementen. Das hat aber auch einen gravierenden Nachteil: Man weiß gar nicht, wo man seine Finger zum Halten hin tun soll, fast mit Sicherheit drückt man dabei unbeabsichtigt irgendeinen Knopf. In Verbindung mit dem fehlenden „Griff“ ist das durchaus ein Problem- Ob ich mich daran gewöhnen kann wird sich zeigen.
  • Display: Das Schwenkdisplay entschädigt natürlich für die o.g. Schattenseiten. Ich hatte mir schon immer eine Kamera mit so einem Display gewünscht, nur war so etwas in Verbindung mit IS von Canon nicht zu bekommen, die G11 bietet es endlich.
  • Stromversorgung: ein dickes Ärgernis, statt Eneloops wieder ein Spezialakku. Wie lange der hält weiß ich noch nicht, aber ich kann in keinem Fall von meinem meist mitgeführten Energievorrat in Form von Eneloops profitieren, und das geht mir schon gehörig auf den Senkel.
  • Blitz: das eingebaute Blitzchen ist für Notfälle durchaus besser als es aussieht. Sehr schön ist der zusätzliche Blitzschuh.
  • Menüs: Die Software ist sehr umfangreich und wartet mit jeder Menge angenehmer und überraschender Möglichkeiten auf. Es finden sich aber immer noch Canon-typische Umständlichkeiten, aber „schön“ ist das alles auf jeden Fall: Animierte Bilderanzeige, farblich gut abgestimmte Menüs und gut ablesbare Anzeigen und Fonts machen die Benutzung sehr angenehm.
  • Anzeigen: Da müssen wir uns bei den CHDK Leuten bedanken: Ganz offensichtlich hat Canon sich eine Menge von den Hackern abgeguckt, und bietet jetzt  endlich auch CHDK-Features wie Live-Histogramm, Batteriestandsanzeige und teilweise konfigurierbare Displayanzeigen z.B. mit Symbolen für den Weißabgleich und viele andere nützliche Einstell-Informationen. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, die neueste Version von CHDK liefe auf der G11, es sieht teilweise auch sehr ähnlich aus.
  • Bildqualität: nicht zufrieden war ich heute auf den ersten Blick mit dem automatischen Weißabgleich unter bewölktem Himmel. Aber wenn man selber Hand anlegt, entstehen sehr ansprechende Aufnahmen hoher Qualität, und darauf kommt es letztlich an. Zum Rauschen kann ich noch nicht viel sagen.
  • Geschwindigkeit: Sie ist nach dem Einschalten schnell da. Ansonsten würde ich die Geschwindigkeit (Auslöseverzögerung, Zwangspause zwischen zwei Aufnahmen) als akzeptabel bezeichnen, Begeisterung kommt nicht auf, aber man kann damit gut leben. Eine Serienbildfunktion die den Namen auch verdient hätte gibt es nach meiner Auffassung nicht. Aber das muss eine Kompaktkamera m.E. auch nicht bieten, nur hätte man konsequenterweise besser auf die Einstellung für Serienbildaufnahmen verzichten sollen.
  • Merkwürdig: Es scheint nach der Aufnahme offenkundig nur in der grünen Vollautomatik eine Bilderrückschau zu geben. In allen anderen Betriebsarten muss man nach der Aufnahme erst umständlich den Wiedergabeknopf drücken, um sein Bild zu sehen, ohne diese Aktion tut sich auf dem Monitor – gar nichts, es bleibt das Sucherbild. Hallo? Da hat Canon sich aber angestrengt, und tatsächlich doch noch eine weitere Möglichkeit gefunden, einem das Leben schwer zu machen, was soll der Scheiß? (siehe Nachtrag unten)
  • Fazit: Die Kamera hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Während meine A710 wesentlich solider daherkommt und wie aus einen Guss wirkt, hält die G11 dieses Niveau nicht auf allen Ebenen durch. Sie liegt auch bei weitem nicht so gut in der Hnd wie die A710. Dafür spürt man aber, dass man es mit einer neuen Kamerageneration zu tun hat: Eine wesentliche modernere Software, das Klappdisplay und die Bildqualität sind die großen Stärken der G11. Sie ist angesichts einiger Plastikteile, des fehlenden Handbuchs und einiger anderer Unstimmigkeiten fraglos deutlich überteuert, und wäre auch zu einem geringeren Preis nicht uneingeschränkt empfehlenswert. Wenn man der G11 noch eine Bilderrückschau in allen Betriebsarten spendiert  – denn wo sonst liegen die großen Vorteile der Digitaltechnik, wenn nicht in sofortiger Begutachtung des Ergebnisses? – wenn man das nun noch mit AA-Akkus, einem durchgängig robusten Gehäuse und besserer Handlichkeit kombiniert, dann wäre die G11  fast perfekt.

Aber Canon ist eben nicht perfekt.

Ob ich sie noch mal kaufen würde? Ich bin mir nicht sicher.

Nachtrag (15. November 2009) : Nach einem Reset auf Werkseinstellungen lässt sich die Bilderrückschau in allen Modi wieder aktivieren. Laut Handbuch ist die Verfügbarkeit dieser Einstellung von der „Registrierung“ des jeweiligen Modus abhängig, und kann deshalb – abhängig von der genannten „Registrierung“ – also auch deaktiviert sein, was wohl bei meiner G11 der Fall war. Allerdings habe ich bislang nicht heraus bekommen, wie eine solche Blockade wieder rückgängig gemacht werden kann.Das CD-Handbuch lässt an dieser Stelle sehr zu wünschen übrig.

Aber immerhin zeigt der Monitor jetzt nach jeder Aufnahme sofort das Ergebnis an. Alles andere wäre auch inakzeptabel gewesen.

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