Canon vs. Nikon

Im Herbst 2009 hatte ich meine gesamte Canon Ausrüstung verkauft  und zu Nikon gewechselt. Bis dahin besaß ich eine Canon EOS 1D Mark-III und eine EOS 5D, zusammen mit einer Reihe der besten Canon-Objektive aus der L-Serie, mit Brennweiten von 15-500mm. Mit meiner D700 habe ich nun die Robustheit der 1D3 und fast deren Geschwindigkeit (mit Zusatzgriff), das Vollformat der 5D,  das Beste zur Zeit im KB-Sektor erhältliche Rauschverhalten in Verbindung mit der ebenfalls vielleicht besten Bildqualität in diesem Bereich, und obendrein eine Ausstattungsfülle, die es im Canon Lager so schlicht nicht zu kaufen gibt.

Ein Fotofreund wollte wissen, ob ich mit meiner Entscheidung denn nun zufrieden sei.  Hier ist die Antwort:

Hallo Martin!

Jetzt mal etwas mehr zu meinen Nikon-Eindrücken. Ich hab sie ja erst   seit 10 Tagen, also ist mein Urteil vorläufig.

Zunächst: Canon-Kameras sind schöner. Sagt meine Frau. Vielleicht hat sie ja Recht. Und tatsächlich habe ich dazu später auch noch eine nicht ganz freundliche Anmerkung.

Ich bleibe aber zunächst bei den Tatsachen:

– 12MP, Vollformat. Genau was ich gesucht habe und von Canon nicht bekommen kann, schon gar nicht für 1850 Euro. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Das war und ist k.o. Kriterium, und ich bin sooo froh, dass ich meine Lösung gefunden habe.

– Robust wie keine Canon. Ich kenne solche Haptik und Robustheit nur noch von der F5, und das ist ja bekanntlich auch eine Nikon. Natürlich kann ich das nicht durch Defekte oder Stress-Tests substantiieren. Aber wenn Du mal eine D700 in die Hand nimmst, weißt Du was gemeint ist. Das gleiche mit den Objektiven, die fühlen sich an wie aus Gusseisen. Der Antartica 2009 Bericht auf Luminous Landsacpe bestätigt diesen Eindruck: 25% aller 5DMk-II versagten teilweise, aber keine einzige D700. Soviel Zufall kann es nicht geben, zumal im Jahr davor ebenfalls auffällig viele Canons den Abgang gemacht hatten.

– Handhabung. Das ist das dickste Thema. Ich bin ja vor Jahren eigentlich zu Canon zurück, weil mir die Nikon-Bedienung im Vergleich zu den Canons nicht gefiel. Wie kann das mittlerweile also so anders sein? Die Antwort ist: Meinem damaligen Vergleich lagen meine Erfahrungen mit Analogkameras zugrunde, namentlich mit der genialen A1. Bis heute ist die Ein-Finger Bedienung dieses Bodys für mich unerreicht. Und mit dieser Prägung waren die Nikons (F80, F90 etc.) für mich nie richtig „passend“.Aber nun haben wir Digitalkameras, mit Monitoren und ganz anderen Verstell-Anforderungen als je zuvor: Weißabgleich, Bilderrückschau, ISO-Verstellung, Bracketing und was-weiss-ich alles. Da fällt der Vergleich (den ich vorher nie machen konnte) nun eindeutig für die Nikons aus.

Es ist ja eine Offenbarung, wie anders und wie viel bequemer und in die Hand konstruiert sich die D700 gegenüber jeder digitalen Canon zeigt, die ich bisher in den Händen hatte. Das kann ich in seiner Fülle gar nicht rüber bringen, es sind einfach zig kleine und kleinste Details, die das Gesamtbild ausmachen.

z.B. gibt es eine Konfigurations-, Einstellungs- und Belichtungsübersicht, die ihresgleichen sucht, und obendrein noch direkte Veränderungen sozusagen „on Screen“ erlaubt, ohne in die Menüs einsteigen zu müssen. Die ganze Kamera lässt sich im Prinzip mit einer Hand „fahren“, wenn man sich das entsprechend konfiguriert. Wenn ich z.B. meine 1D oder 5D hoch nahm, und sie war versehentlich abgeschaltet, musste ich sie erst umgreifen und hinten einschalten. Bei der Nikon liegt der Einschalter am Auslösefinger. Kostet 0,2 Sekunden, genial.

Oder Bilder löschen: Bei Canon: Löschtaste drücken, Frage: ‚Löschen‘ oder ‚Abbrechen‘, Cursor steht auf ‚Abbrechen‘. Drehung mit dem Rad oder klick mit dem Vierwegeknopf um den Cursor auf ‚löschen‘ zu stellen, Bestätigunsgtaste drücken. Bei Nikon: zwei mal Löschtaste, fertig.

Oder die Programmierbarkeit diverser Knöpfe, die kann ich mir einstellen wie es mir am bequemsten ist. Oder vier Weißabgleichsspeicher, mit aussagekräftigen Namen benennbar. Oder Weißabgleich per Expodisc, aber ohne ein Foto machen zu müssen. Oder oder oder.

– Das System: ja, das gibts bei Nikon noch. Zum Beispiel Winkelsucher. Oder Balgengeräte. Oder die 200er CLS-Blitze mitsamt Halterungen für den Makroeinsatz, aber auch als Slaves in komplexen Sets einsetzbar. Ich habe viel mehr den Eindruck, mich wieder in einem „System“ zu befinden, wie das zu Canon F1 oder Nikon F3 Zeiten noch der Fall war.

– Blitzen: Da tun sich neue Türen auf. Dirk Wächters „Heute schon geblitzt“ gerät da im Vergleich schlicht zum peinlichen Kinderbuch, das CLS ist einfach Lichtpower pur, und intuitiv zu verstehen. Und bereits mit einem einzigen Blitz habe ich auf Anhieb meist die Ergebnisse, die ich mir vor der Aufnahme vorstelle, einfach weil ich alles so einstelle, wie mein fotografischer Menschenverstand mir das sagt. Das reicht, und es funktioniert bestens. Hinzu kommt, dass z.B. ein SB-800 bereits mit Lee-Folie und Diffusor geliefert wird, so macht das einfach Spaß.

– Der Autofokus: es gibt sicher keinen perfekten Autofokus, aber was mit der D700 geht, und zwar spontan und wiederholbar sicher, das ist nahe dran. Zielen, fokussieren, passt. Es ist einfach eine Wucht, das bin ich nicht gewohnt. Und erst jetzt merke ich, wie mangelhaft sich eigentlich die 1D3 in dieser Hinsicht verhalten hat. Deren Fokus war zwar sehr schnell, aber eben lange nicht so beliebig reproduzierbar. Ich habe die Tage mal mit der 5D-II meiner Nichte herum gespielt, blinkendes Glas auf gut gedecktem Tisch, ich sag Dir: Ein KRAMPF!, am liebsten hätte ich das Ding in die Tonne gehauen. Aber ok, sie ist ja so stolz auf ihre Kamera, ich hab nichts gesagt. Den Eindruck zum Autofokus werden Dir Frank, Juan und Wolfgang aus dem Forum genau so bestätigen, sie haben alle frisch gewechselt.

– Die Optiken. Tja, ich hab Dir ja geschrieben, was ich mir da gegönnt habe. Im WW kannte ich so gute Qualität bisher nicht, und immerhin hatte (habe) ich das 16-35L (V1) und das 24-70L, beides keine Billigscherben. Beide, das Nikon 14-24 wie das 24-70 bieten nicht den geringsten Anlass, sich noch eine Festbrennweite in diesen Bereichen zulegen zu müssen, was ich von den Canons nicht sagen kann. Und […] das 85 1.4 ist […], wenn auch leider nicht ganz so lang, dafür aber  noch offener [als das Canon135L] …

Insgesamt stelle ich bei den Optiken auch fest, dass Schärfe und Fokus bei allen dreien auf den Punkt sitzen, und zwar beliebig reproduzierbar, und das, auch wenn ich es noch nicht mit sechs, sieben oder mehr Blendenstufen Kontrast ausprobiert habe, auch bei blinkenden Gläsern oder Chromreflexen. Bei meinen Canons war diese Präzision nicht so augenfällig der Fall, immer hatte ich das Gefühl, dass diese ab Werk und auch später nach mehrfacher Justage nie so richtig, und vor allem niemals hunderprozentig reproduzierbar gut funktioniert haben, schon gar nicht wenn das Motiv solche Reflektionen zeigte.

Und schließlich scheint es noch ein paar sehr grundlegende Unterschiede zwischen Canon und Nikon zu geben, die sich teilweise erst bei genauerer Betrachtung erschließen.

Offenkundig ist zunächst, dass die Canons viel mehr über Menüs gesteuert werden müssen, während ich bei den Nikons Knöpfe sehe, deren Funktion sich mir ohne Menühangelei anbietet, sehr schön. Und dann war es in den vergangen Jahren ja so, dass Nikon in Ermangelung solch guter Sensoren wie Canon andere Kaufargumente anbieten musste: Features, Features, Features: Die Ausstattung ist einfach überwältigend.

Da gibt es Blitzsteuerung per Body (wie ja jetzt auch in der 7D), eingebaute, programmierbare Intervallschaltung, GPS-Unterstützung ohne WFT, künstlichen Horizont, Mehrfachbelichtungen und vieles andere mehr, wovon Canoniere nur träumen können oder was teuer zugekauft werden muss.

Weniger offensichtlich ist, dass die Nikon-Modelle schon konzeptionell viel technischer kommen daher als die Canons. So ist es zum Beispiel möglich, abgesehen von der Belichtungskompensation um bis zu +/- 5 LW die Kamera ganz grundsätzlich knapper oder üppiger belichten zu lassen: Man kann den Belichtungsmesser des Bodies im 1/10 Blendenstufen kalibrieren, ohne das das in der Messkala angezeigt werden würde, also ein echte Kalibrierung nach persönlichem Geschmack.

Auch der Weißabgleich ist weit ausgefeilter als bei den Canons. So gibt es für Kunstlicht sieben verschiedene Einstellungen, und egal, welche WB man eingestellt hat: Sie ist über das zweite Einstellrad in Stufen zu fünf Mired fein einstellbar, einfach fantastisch. Und alles mehr oder weniger mit Daumen und Zeigefinger.

Ich könnte Dir hier noch ein paar Seiten mehr hinschreiben, aber es ist echt sinnlos. Man muss so ein Ding haben, und leider reicht ein Wochenende da nicht. Ich spiele jetzt seit 10 Tagen damit herum (natürlich leider nicht pausenlos), und entdecke immer noch nette Sachen. Das D700 Handbuch ist genauso knapp in seinen Erklärungen wie das der Canon 1D3 mit 225 Seiten. Und trotzdem kommt es auf statt dessen auf 472 Seiten. Ich meine, das sagt ja auch schon mal was …

Und die Bildqualität ist mit 12MP neuester Technologie über jeden Zweifel erhaben, also was will man mehr, ich bin to-tal happy!

Und Canon? Die Canons sind, sieht man mal vom AF der 1D3 und Canons Verhalten in dieser Sache ab, natürlich auch Sptzenklasse Kameras.

Aber die Nikons sind besser, jedenfalls für mich. Sie kommen meinen ganz persönlichen Wünschen einfach viel mehr entgegen als die Canons. Die mehr-MP-Politik Canons hat zweifelsfrei ihre Berechtigung, einfach deshalb, weil es möglich ist, mehr Auflösung zu produzieren. Und wenn sie irgendwann einmal 40 oder 60 MP anbieten, und das hardwareseitige Zusammenschalten mehrerer Pixel für hohe Qualität und mehr Geschwindigkeit erlauben, dann hätte diese hohe Auflösung im Bedarfsfalls ohne Zweifel auch ihren Reiz.

Aber erstens machen sie das aktuell schlicht nicht, und zweitens sind 12MP für meine Anwendungen, nämlich Monitor-Ansichten, Beamer-Projektion und XXL-Fotobuch Formate, völlig ausreichend. Weil ich nämlich bei der Aufnahme gestalte, und nicht hinterher erst den wichtigen Teil aus einer Aufnahme rauscroppen muss … 😉

Eins aber, und nun kommt die angekündigte Bemerkung, eins kann ich den Canons allemal bescheinigen: schön sind sie.

Eben echte Designerkameras 🙂

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